Motorsport im Wandel
Ein Bericht von Ulrich Becker anlässlich des 75-jährigen Bestehen des AC Schleswig
75 Jahre Automobilclub Schleswig von 1923 e.V. im ADAC stellen 75 Jahre Automobilgeschichte dar. Von euphorischen Anfängen über kritische Begleitung bis hin zur Ablehnung reichten in 75 Jahren die Meinungen zum motorisierten Verkehr, Meinungen, die auch den Ortsclub und seine Arbeit geprägt haben.
Heute zählt der AC Schleswig mit seinen über 200 Mitgliedern zu den größten Ortsclubs in Schleswig-Holstein. Als Schleswiger Auto- und Motorradfahrerclub am 22. Februar 1923 gegründet, lag der Schwerpunkt zunächst im motorsportlichen Bereich. Schnell wurden jedoch auch noch das mobile Reisen und die Verkehrssicherheit Themen im Ortsclub.
Wie begeistert das Auto angesehen wurde, ergibt sich aus dem Vortrag, der Anfang der 30iger Jahre vor dem Ortsclub gehalten wurde, in dem es sinngemäß wie folgt heißt:
"Gott ergeben saß der Reisende früher in einem Zug, in einem Winkel des Coupé's eingefercht zwischen anderen, die vom gleichen Wunsche beseelt waren. Wenn es gut ging, konnte er sich einen Fensterplatz ergattern. So ein Fensterplatz ist immerhin etwas nettes. Fährt man mit dem Rücken zur Fahrtrichtung, so besteht für nicht wenige die Gefahr von Seekrankheit. Sitzt man mit der Front zur Fahrtrichtung, so ist die Sachlage schon etwas günstiger. Man sieht wenigstens die Landschaft auf sich zukommen. Weniger schön sind allerdings die Begleiterscheinungen in Gestalt von Kohleteilchen, die man in regelmäßigen Abständen aus dem Auge holen kann. Macht man das Fenster zu, so schreit der andere vielleicht, daß es ihm zu heiß wird. Zünden Sie sich eine Zigarette an, so macht Sie Ihr Reisegenosse darauf aufmerksam, daß Sie hier fehl am Platze sind.
Wie anders dagegen der Kraftfahrer. Er ist in der glücklichen Lage, seinen Urlaub von dem Augenblick der Abreise bis zur Rückkehr als ein frohes Ereignis zu gestalten. Ungebunden an Fahrpläne trudelt er durch die Gegend, bald schnell, bald langsam. Brennt ihm die Sonne zu sehr auf's Dach, so gibt ihm dies die willkommene Veranlassung, die Notbremse an- und die Kleidung auszuziehen."
Wenn auch heute, bedingt durch die Entwicklung des Verkehrs, ungebundene "freie" Fahrt eher Wunsch als Tatsache ist, so ist das Phänomen Auto und damit auch die Begeisterung, sich mit dem Automobil zu beschäftigen, ungebrochen. Auch und gerade unter Umweltaspekten und Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit ist es mein Wunsch und Bestreben, dass der Automobilclub Schleswig von 1923 e.V. im ADAC im Interesse aller Verkehrsteilnehmer eine Zukunft hat.
Gerhard Kannenberg, stellvertretender Vorsitzender seit 1983
75 Jahre Automobilclub Schleswig bedeuten auch 75 Jahre Motorsport. Über Jahrzehnte hinweg haben Mitglieder des Automobilclubs Schleswig von 1923 e.V. im ADAC und seine Namensvorgänger aktiv und erfolgreich Motorsport betrieben. Dies geschah durch aktive Teilnahme an motorsportlichen Veranstaltungen wie auch als Veranstalter von Motorsportereignissen, die weit über die regionalen Grenzen hinaus einen guten Namen hatten und heute noch haben.
Die motorsportliche Wiege unseres Clubs hatte bei Gründung lediglich 2 oder aber höchstens 3 Beine, nämlich die eines Motorrades bzw. eines Motorrades mit Beiwagen - der AC-Schleswig wurde als Motorradclub gegründet. Diese Fahrzeuge und deren Fahrer waren es auch, die schon in den 20iger und 30iger Jahren enorme sportliche Aktivitäten entwickelten, indem sie auf Orts- und Gau-Ebene des Deutschen Reiches an den Start gingen. Zu den bekanntesten motorsportlichen Ereignissen zählt wohl die Deutschlandfahrt, die bereits 1925 von Köln aus gestartet wurde und die über ca. 3000 km bis in den Norden hinauf u.a. nach Busdorf führte, wo eine Kontrollstation anzulaufen war. Auch die folgenden Jahre sahen den Motorsport dank des Interesses der Industrie in einem ständigen Aufwind. Wie aber zur damaligen Zeit in allen gesellschaftlichen Bereichen schon festzustellen war, wurde auch der Motorsport von den an der Macht stehenden Nationalsozialisten geradezu benutzt, um an Einflußnahme und Macht auf allen Ebenen zu gewinnen.
Es wurden auch weiterhin vielgestaltige motorsportliche Fahrten unternommen, seien es Gedächniß oder Kriegsopferfahrten genauso wie Ortsgruppenabende. Alle diese Veranstaltungen dienten nur dem einen Ziel, auch den Motorsport zu einem Instrument im allumfassenden Streben nach Macht und Einfluss der Herrschenden zu benutzen.
Nach Beendigung des 2. Weltkrieges und der wieder langsam beginnenden Motorisierung startet auch der Motorfahrerclub Schleswig mit neuen Zielen in die Zukunft. Stellvertretend für viele sei hier der erfolgreichste Motorsportler der damaligen Zeit in der Ortsgruppe Schleswig, Johannes Lorenzen - genannt Hannes Opel, erwähnt.
Dem stetigen wirtschaftlichen Aufschwung folgend, nahmen auch die sportlichen Aktivitäten zu. Nach der Umbenennung unseres Clubs 1954 in die heutige Bezeichnung - Automobilclub Schleswig von 1923 e.V. im ADAC - traten neue Gesichter auf die Plattform und bestimmen maßgeblich das aktive, sportliche Geschehen in den folgenden Jahren.
Für alle Sportler der Automobilclubs Schleswig galt und gilt auch heute noch das Motto: Den Erfolg wollten und wollen wir schon, aber nicht um jeden Preis - es muß auch Spasß und Freude machen. Auch hier nur einige Namen stellvertretend für eine ganze Reihe erfolgreicher AC-Sportler:
Der Rallyefahrer Olaf Petersen, der über Jahre hinweg zum festen Starterkreis der Int. Sachs Rally Baltic und anderer großer Rallyes mit gutem Erfolg gehörte.
Später dann die sehr erfolgreichen Rallye-Teams Claus Soltau ( 1986) und Henning Timm (nat. Rallymeister Schleswig-Holstein 1984), Johannes Paulsen / Ulrich Lorenzen, Hans-Jürgen Schenk / Dieter Meyer sowie Bernd Wohlert / Joachim Brügge, die so manchen Sieg herausfuhren und ebenfalls 1984 nat. Mannschafts-Rallyemeister in Schleswig Holstein wurden. Last, but not least der Dauerbrenner Horst Kiso. Heute noch aktiv als Teilnehmer an Veteranenfahrten und über viele Jahre ein erfolgreicher und stets gern gesehener Gast auf allen Rallyestrecken Deutschlands und darüber hinaus.
Im Jahr 1986 verlor der AC Schleswig mit Claus Soltau seinen damaligen Sportleiter, seinen Fahrtleiter der Wiking- und Wikinger-Rallye und vor allen Dingen einen beliebten Clubkameraden und Freund durch einen tragischen Unfall. Sein Tod hat bis zum heutigen Tage eine menschliche Lücke hinterlassen, die viele, die ihn kannten, noch heute traurig stimmt. Er hat viel für den AC Schleswig getan. Wir werden ihm immer ein ehrendes Andenken bewahren.
Im Orientierungssport standen und stehen Namen wie Friedhelm Mißfeld und wieder Claus Soltau ( 1986), die, wenn es an den Start ging, sehr oft den Sieg davontrugen. Zu den äußerst erfolgreichen Orientierungssportlern gehörten auch Fred Jacobs( ) und der heute noch teilweise aktive Rolf Kleinwort oder die Gewinner des Nordpokals oder des NOP-Nord-Ostsee-Pokals Uwe Thimm / Siegfried Albrecht, Heidi Johne / Martin Weyand oder aber Lothar Szenguleit / Torsten Johne. Dem besagten Teamgeist des Automobilclubs Schleswig war es zu verdanken, daß in den besten Zeiten bis zu 14 Teams am Start waren. Der AC Schleswig war dann nicht selten der Club mit den meisten Teilnehmern. Alle diese Teilnehmer unseres Clubs haben dazu beigetragen, daß lebendiger Motorsport betrieben werden konnte.
Zum Motorsport gehörten und gehören aber auch die sportlichen Nichtaktiven unseres Ortsclubs - die unentbehrlichen Helfer. Sie sind eine wichtige Ergänzung zu den aktiven Motorsportlern. Mit ihrer Hilfe wurden und werden die vielen Aktivitäten des Automobilclubs Schleswig erst möglich. Ihnen allen gebührt herzlicher Dank für den gezeigten Einsatz und für die gemeinsam erziehlten Erfolge. Es ist zu hoffen und zu wünschen, daß die heutige, erfolgversprechende junge Sportlergeneration des Automobilclubs Schleswig in die Fußstapfen ihrer Vorgänger tritt und wie diese, Erfolg und Freude an der Ausübung ihrer Sportart finden möge. Neben der aktiven Ebene ist der Automobilclub Schleswig schon ein wenig stolz, die Bilanz als Veranstalter von motorsportlichen Ereignissen vorstellen zu dürfen: Bereits in den 60iger Jahren bis Anfang der 70iger Jahre wurde der Turniersport mit Begeisterung und großer Resonanz betrieben. Auf dem Gebiet des Orientierungssportes konnte in den Jahren 1969 bis 1997 der Wiking-Kurs 27 Jahre lang erfolgreich bestritten werden.
Auch als Slalomveranstalter auf nationaler und internationaler Bühne liegen erfolgreiche Jahre hinter uns. Waren es Veranstaltungen auf dem damaligen divi-Parkplatz, die wir als Alleinveranstalter ausgerichtet haben oder aber auf dem Flugplatzgelände Jagel als Gemeinschaftsveranstaltung mit dem MC-Eckernförde. Hier wurde zuletzt im Jahr 1995 eine Doppelveranstaltung als Deutscher Meisterschaftslauf durchgeführt. Die Teilnehmer waren voll des Lobes für die gute Organisation und den anspruchsvollen Parcours.
Die höchsten motorsportlichen und vor allen Dingen organisatorischen Herausforderungen stellten jedoch die Ausrichtungen von Rallyeveranstaltungen dar. Von 1973 bis 1983 senkte sich in alleiniger Zuständigkeit des Automobilclubs Schleswig 10 mal die Startflagge zur Wiking-Rallye.
Der 1. Start einer Wiking-Rallye 1973 vor dem Schloß Gottorf durch den Bürgermeister Kugler( ) und mehrere Starts in der Ladenstraße in Schleswig mit 5 Porsche an der Spitze u. a. durch Bürgermeister Richter, Bürgervorsteher Hansen sowie Bürgermeister Bartheidel dürfte noch so manchem Rallyefan- und Zuschauer in Erinnerung sein. 1984 wurde dann die Wikinger-Rallye als Zusammenschluß aus der Cimbern-Rallye und der Wiking-Rallye aus der Taufe gehoben. Daß diese grenzüberschreitende Rallye zu einer der besten Rallyeveranstaltungen in Norddeutschland und darüber hinaus sowie in Dänemark werden konnte, dafür zeichnete der Automobiclub Schleswig an maßgeblicher Stelle mit verantwortlich. Wer erinnert sich nicht gern der Tatsache, daß Rallyeasse wie Holger Bohne, Gustl Brusch, Rolf Petersen und Gisela Blume auf der deutschen Seite, sowie Bo Göran Fredin aus Schweden, Flemming Laubjerk, Jens-Ole Kristiansen oder Jan Mortensen aus Dänemark bei der Wiking(er)-Rally ihre Visitenkarten mit großartigen Erfolgen abgegeben haben. Bei der Wikinger-Rallye handelt es sich um eine Veranstaltergemeinschaft der benachbarten ADAC-Ortsclubs von Schleswig, Flensburg, Idstedt sowie teilweise dänischen Clubs. Die Beendigung dieser über viele Jahre hinaus sehr erfolgreichen nationalen wie internationalen Rallye im Jahr 1993 war letztlich die Tatsache, daß behördliche Auflagen an Grenzen stießen, die ein Weiterveranstalten unmöglich erschienen ließen. Wenn Argumente gegen Ideologie stehen, verlieren heute leider meist die Argumente.
Der Automobilclub Schleswig war und ist neuen Ideen stets aufgeschlossen. Nach Beendigung der großen Erfolge im Bereich Rallye und Slalom suchten und fanden wir ein neues Standbein mit dem Veteranensport. Hierbei handelt es sich um Veteranenfahrten für Automobile und Motorräder, die mindestens 25 Jahre alt sein müssen. Der Automobilclub Schleswig führte die 1. Wiking-Historic am 15.09.1996 und die 2. am 08.06.1997 durch. Jede Veranstaltung wurde, wie konnte es anders sein, ein voller Erfolg auf der ganzen Linie. Die hervorragende Starterzahl von 81 Teilnehmern bei der 1. Wiking-Historic erreichte bei der 2. Auflage fast die Traumgrenze von 100 Startern. Nicht nur die Teilnehmer sprachen dem Veranstalter höchstes Lob für die Veranstaltung aus, auch die vielen Zuschauer in Schleswig und entlang der Fahrtstrecke waren begeistert.
Auf die Nachwuchsförderung legte und legt der Automobilclub Schleswig großen Wert. Aus diesem Grunde freuen wir uns, daß wir eine äußerst aktive und erfolgreiche Jugendgruppe im Club haben, die ständig an Mitgliedern zunimmt. Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 18 Jahren werden über das Kartfahren an den motorisierten Straßenverkehr und den Motorsport herangeführt. Auch bei dem 1996 durch den ADAC Schleswig-Holstein neu ins Leben gerufenen ADAC-Slalom-Cup starten mit guten Erfolgen viele junge Motorsportler unseres Clubs.
Stand des Schriftsatzes: Januar 1998 zum 75-jährigen Vereinsjubiläum